18.000 Besucher*innen mehr!
Die zweite Spielzeit am Stadttheater Gießen unter der Leitung von Intendantin Simone Sterr geht am kommenden Wochenende zu Ende. Zum Abschluss der Saison wurde auf dem Theatervorplatz eine Sommerbühne errichtet, die eine Woche lang allabendlich mit unterschiedlichen, meist musikalischen Programmen herzlich einlädt.
Insgesamt haben rund 85.500 Besucher*innen, ein Plus von ca. 18.000 gegenüber der Vorsaison, in über 470 Vorstellungen und Sonderveranstaltungen das Stadttheater Gießen in der Spielzeit 2023/2024 besucht, hinzu kommen über 200 Einführungen und Nachgespräche. Besonders erfreulich ist das große Interesse der Studierenden der Gießener Hochschulen, die mit ihren Semestertickets rund 5.900 Karten eingelöst haben. In den fünf Sparten Junges Theater, Tanz, Musiktheater, Schauspiel und Konzert wurden 25 Premieren gefeiert, davon sieben Uraufführungen, zwei Auftragswerke und eine deutschsprachige Erstaufführung sowie acht Sinfonie- und zwei Chorkonzerte mit jeweiligen Previews, Familien- und Sonderkonzerten.

© Rolf Wegst
Im Jungen Theater reiste die mobile Produktion „Popcorn oder Einsame Explosionen“ an Schulen und andere Bildungseinrichtungen der Stadt Gießen und des Landkreises. Ein besonderes Erlebnis für Schüler*innen und Lehrkräfte, die diese Produktion für eine Schauspielerin im eigenen Klassenzimmer, der Aula oder Pausenhalle erleben durften. „Vorstadtkrokodile“ nach dem bekannten Kinderbuch war das Familienstück, dass mit fetziger Musik, Choreografien und einer spannenden Detektiv-Geschichte im Großen Haus begeisterte. Mit „20.000 Meilen unter dem Meer“ schlug Jules Vernes Klassiker für alle ab 7 Jahren im Margarete-Bieber-Saal den Bogen vom naturwissenschaftlichen Experimentierfeld zur fantasievollen Theater-Abenteuerreise.

© Rolf Wegst
Im Musiktheater stellte die Inszenierung der Oper „Xerxes“ bekannte Geschlechterrollen auf den Kopf und brachte die Barockmusik von Händel zum Strahlen. In Tschaikowskis Oper „Eugen Onegin“ nach Alexandr Puschkins Roman brillieren die beiden Ensemblemitglieder Julia Araújo als Tatiana und Grga Peroš als Onegin in den Hauptpartien. Den lyrischen Schmelz der Musik transportieren sie ebenso wie die glaubhafte Entwicklung der jungen Figuren. „Die Perlenfischer“ brachte eine lange nicht gespielte Bizet-Oper konzertant zu Gehör und mit „Mitislaw der Moderne“ eroberte eine Operette von Franz Lehár den Bühnenraum im Kleinen Haus.

© Daniel Regel
Die Sinfoniekonzerte mit dem Philharmonischen Orchester Gießen unter der Leitung von Generalmusikdirektor Andreas Schüller begeisterten das Publikum mit einem breit gefächerten Programm. Namhafte Gast-Dirigent*innen und -Solist*innen sowie Solist*innen aus den eigenen Reihen präsentierten die Programme. Besonders hervorzuheben ist das Zusammenspiel mit der Philharmonie Südwestfalen, die sich für ein gemeinsames Konzert in der Kongresshalle mit dem Philharmonischen Orchester Gießen zu einem fulminanten Klangkörper von über 100 Musiker*innen verbanden. Die Leitung des Opernchors des Stadttheaters Gießen übernahm Anfang der Spielzeit Moritz Laurer. In seiner Funktion als Chordirektor übernahm er die Leitung der beiden Chorkonzerte, sowie zahlreicher Choreinstudierungen im Musiktheater und weiterer musikalischer Formate. Musiker*innen des Orchesters gestalteten vier Kammerkonzerte, dazu kamen die beliebten Gastspiele des hr-Sinfonieorchesters und der hr-Bigband.

© Rolf Wegst
„Ghosts – Geister“ eröffnete in der Sparte Tanz x Physical Theatre die Saison: Bei diesem Projekt wurde die Probebühne in der Bahnhofstraße zur Spielstätte, um einen Barriere armen Zugang zu ermöglichen. In dieses Tanzstück von Ursina Tossi floss eine Audiodeskription als künstlerischer Teil in die Arbeit ein, sodass Tanz für Menschen mit und ohne Sehbehinderung erfahrbar wurde. Im Großen Haus entführte „Die andere Seite“ als spartenübergreifendes Projekt unter der Leitung von Constantin Hochkeppel mit Mitgliedern des Tanz- und des Schauspielensembles in die mysteriöse Welt des Schlafes und bei „heat up“ wurde zum Ende der Spielzeit im Kleinen Haus sogar das Publikum zum Tanzen mit auf die Bühne geholt.

© Christian Schuller
„Woyzeck“ eröffnete im Schauspiel die Spielzeit 2023/2024 in einer Fassung mit Musik und Liedtexten von Tom Waits und Kathleen Brennan. Die mitreißende Inszenierung mit Band wird wegen großer Nachfrage in der kommenden Spielzeit wiederaufgenommen. Besonders erfreulich war hier das große Interesse von Schulen, so dass auch Vorstellungen unter der Woche vormittags in den Spielplan aufgenommen wurden. Mit seinem Schwerpunkt auf zeitgenössischem Autor*innentheater realisierte die Sparte u.a. mit „Neometropolis“ die Uraufführung eines Auftragswerks, das die Dominanz des Menschen auf der Erde hinterfragt und das Publikum mitnimmt auf eine poetische und gleichnishafte Reise in die Welt nichtmenschlicher Lebewesen. Mit der deutschen Erstaufführung von „Apokalypse Miau“ wurde Kristof Magnussons spitzzüngige Parodie auf die Theaterwelt präsentiert – schöner kann die Theaterwelt nicht untergehen. Mit „Einsame Menschen“ von Felicia Zeller ist eine virtuose, artistische und sehr außergewöhnliche Neuinterpretation von Gerhart Hauptmanns Vorlage gelungen. „Stadt, Land, Flut“ von Nina Segal kam als deutschsprachige Erstaufführung auf die Bühne des Kleinen Hauses.

© Lena Bils
„Fifty Degrees of Now“ war die letzte Schauspiel-Premiere der Saison. Die Inszenierung von Intendantin Simone Sterr unternimmt den Versuch, das Theater in ein Labor zu verwandeln bei dem Wissenschaft und Theater einander auf Augenhöhe begegnen. Beide Disziplinen können die Funktionsweisen und Wirkungsmächte der Welt hinterfragen. Und es sind Orte, an denen sehr unterschiedliche Menschen miteinander an gemeinsamen Utopien arbeiten. Gleichzeitig nahm das Stadttheater Gießen diese Produktion als Grundlage eines Theaterprojekts, für das bei Produktion, Arbeitsabläufen und den verwendeten Materialien konsequent die Richtlinien von Nachhaltigkeit und Klimaneutralität angewendet wurden. Dies wurde u.a. ermöglicht durch die Förderung innerhalb des Fonds Zero der Kulturstiftung des Bundes. Die angestoßenen Impulse zum Thema Nachhaltigkeit wurden durch zahlreiche Abteilungen in unterschiedlichen Arbeitskreisen und Workshops aufgenommen und weitergedacht. So konnten Themen wie ein Baukastensystem zur Verwendung von Bühnenbildelementen oder die Digitalisierung der Fundi angegangen werden. Themen, deren Bearbeitung fortgesetzt wird und die zukünftig in den Arbeitsalltag implementiert werden.

© Jakob Boll
Vom 27. Juni bis 6. Juli versetzten die Hessischen Theatertage 2024 das Theater und die Stadt in Festivalstimmung: In zehn Tagen präsentierten 19 Produktionen aus Gießen, Kassel, Marburg, Wiesbaden, Frankfurt und Darmstadt einen Querschnitt der Theaterarbeit des Bundeslandes. Allein in dieser Zeit zählt das Stadttheater Gießen über 5.150 Besuchende, das entspricht über 500 Zuschauer*innen pro Festivaltag. Dabei taten sich erstmals das Festival der institutionalisierten Stadt-, Staats- und des Landestheaters zusammen mit dem MADE.Festival der Freien Szene Hessen. Das Publikum würdigte den Mut zu diesem Zusammenschluss mit großem Interesse in vielfach ausverkauften Vorstellungen. Die Eigenproduktion „Fifty Degrees of Now“ eröffnete das Festival, das unter dem Motto „Welches Morgen?“ stand. Auch hier lag der Schwerpunkt bei den geladenen Gastproduktionen auf zeitgenössischen Texten und relevanten Themen. So wurde der Publikumspreis am Ende des Festivals an die Produktion „Werwolfkommandos“ aus der Freien Szene Frankfurt vergeben. Ein Dokumentartheater, dass sich mit der Beobachtung zweier Gerichtsverhandlungen, bei denen rechtsextremistische Täter angeklagt waren, beschäftigt. Ein Statement des Gießener Publikums zum Mut und der Dringlichkeit, sich mit diesen Themen im Theater auseinanderzusetzten.
Im Mai veranstaltete die Stadt Gießen die erste Gießener Kulturnacht, bei der das Stadttheater sich mit einem vielfältigen Programm beteiligte. Vom Nachmittag bis in die Nacht war von Sinfoniekonzert bis Salsa, von Tom Waits bis Opernchor, von südamerikanischen Liedern bis zu Elektropop so ziemlich alles abgedeckt und sorgte dafür, dass Teenager, best ager und silver ager im Foyer zusammen feierten und tanzten und sehr viele Sprachen dieser Welt an der Bar zu hören waren. Ein besonderes Ereignis, bei dem man von einem Theater für alle sprechen kann, das die Stadtgesellschaft in all ihren Facetten abbildet, erreicht und im Herzen der Stadt ankommt.

© Jakob Boll
Mit der Sommerbühne auf dem Theatervorplatz zum Saisonabschluss gelingt es ebenfalls, das Publikum in seiner Vielfalt auf den Theatervorplatz zu locken und mit unterschiedlichen Programmen zu überraschen, zu begeistern und zum gemeinsamen Feiern einzuladen. Mit dem Liederabend „Wunder gibt es immer wieder“ geht die Spielzeit am Samstag, 27. Juli auf der Sommerbühne zu Ende. Zum Beginn der neuen Saison 2024/2025 lädt das Stadttheater zum Theaterfest am Sonntag, 8. September ab 14 Uhr mit einem bunten Programm für alle ein, langjährige Theaterfans, Neugierige und alle, die einfach mal vorbeischauen, um das Theater als Ort der Begegnung zu erleben.