Neue Orte, neue Begegnungen

Die Spielzeit 2022/2023 geht zu Ende – eine gute Gelegenheit für ein Resümee. Vertreter:innen aus Musiktheater, Konzert, Tanz, Schauspiel und Jungem Theater sprechen über Lieblingsmomente der Saison und die Vorfreude auf Kommendes im Herbst.


Ann-Christine Mecke, Künstlerische Leitung Musiktheater

Was war dein Lieblingsmoment in der letzten Spielzeit?

Wie Jana Marković und Markus Francke in der vorerst letzten Vorstellung von „La clemenza di Tito“ die Wiederbegegnung von Sesto und Tito gespielt und gesungen haben, hat mir die Tränen in die Augen getrieben. Damit solche Momente im Musiktheater entstehen, muss sehr viel stimmen: die Vorbereitung, die Konzentration und die Gesundheit am Abend, das Timing und die Sensibilität aller Beteiligten auf, vor und neben der Bühne, und eine gewisse Risikobereitschaft. Nicht zuletzt muss man auch als Zuschauerin wach, offen und bereit sein, eine solche Kostbarkeit wahrzunehmen und sich davon berühren zu lassen. Wenn all das zusammenkommt, ist Musiktheater die beste Kunstform der Welt.

Am Ende der Vorstellung bekam ich einen Zettel zugesteckt, auf dem eine Zuschauerin mir die Nachricht hinterlassen hatte: „Mozart verträgt viel, auch diese Inszenierung.“ Ich glaube, das Gegenteil ist richtig: Mozarts Musik kann nur richtig blühen, wenn so geschauspielert wird wie in dieser Inszenierung – und umgekehrt macht Mozarts Musik eine solch intensive Darstellung von Schuld und Scham, Liebe und Verzweiflung, Begehren und Abscheu erst möglich.

Worauf freust du dich in der kommenden Spielzeit?

Auf hoffentlich viele solcher Momente. Es liegt in der Natur der Sache, dass man nicht vorhersehen kann, wann sie passieren. Man kann nur sein Bestes tun, sie zu ermöglichen.

Christian Förnzler, Dramaturg Konzert

Was war dein Lieblingsmoment?

Die Konzertsaison der vergangenen Spielzeit hat viel Neues bereitgehalten. Sich da auf einen einzigen Moment zu beschränken fällt schwer, aber wahrscheinlich lag er direkt ganz am Anfang der Spielzeit: Das 1. Sinfoniekonzert mit Werken von Rolf Liebermann, Richard Strauss und Ludwig van Beethoven. Dieser Auftakt, der zugleich ein Neubeginn für das Stadttheater und für das Philharmonische Orchester Gießen unter neuer Leitung von Generalmusikdirektor Andreas Schüller war, bestach durch seine einzigartige Energie. Welch besonderer Klangkörper unser Orchester ist, mit welchem Elan, Witz und welcher Freude hier musiziert wird – das vom ersten Konzert an zu erleben, war ein absoluter Lieblingsmoment.

Worauf freust du dich in der kommenden Spielzeit?

Dass es garantiert auch mit dieser Energie weitergehen wird, darauf freue ich mich am meisten. Jedes Konzertprogramm bietet dabei die Gelegenheit etablierte Musik neu- oder wiederzuentdecken und gleichzeitig verschafft es jenen Komponist:innen Gehör, die zu Unrecht viel zu selten oder gar nicht in den Konzertspielplänen auftauchen. Unsere Preview-Konzerte versprechen jede Menge erhellende und unterhaltsame Momente beispielsweise mit Werken wie Béla Bartóks „Konzert für Orchester“, Emilie Mayers „Faust“-Ouvertüre oder Julius Röntgens „Symphonietta Humoristica“. Ich freue mich auf Entdeckungen.

Constantin Hochkeppel, Künstlerische Leitung Tanz

Was war dein Lieblingsmoment in der letzten Spielzeit?

Zwei Wochen nachdem ich während eines Absackers zu „Five Stages of Grief“ mit einer Zuschauerin ins Gespräch gekommen war, bekam ich eine Mail von ihr. In dieser Mail schrieb sie, wie nachhaltig berührt sie von dem Stück war. Sie sagte, dass ihr der Abend ein wenig die Angst genommen hat vor der Trauer, die uns allen in irgendeiner Art bevorsteht. Auf meine recht persönliche Antwort erhielt ich kaum eine Woche später erneut eine Mail, in der sie mir darüber berichtete, dass sie sich just am Wochenende von ihrem Hund verabschieden musste. Wie schnell es manchmal passiert, dass ein Trauerfall eintritt … So traurig der Anlass war, so berührend war die Geste, dass mir eine fremde Person von dem Tod ihres geliebten Wegbegleiters erzählt. Es hat mich ungemein demütig gemacht, zu wissen, dass ich einen Menschen ein stückweit vorbereiten konnte, einen herben Verlust zu bearbeiten. Das sind Momente, für die ich Theater mache.

Worauf freust du dich in der kommenden Spielzeit?

Im Tanz steht viel an die nächste Spielzeit: Das Gastspiel aus NRW, der Gastspielaustausch mit Radebeul und Salzburg, die Kooperationen mit der Kunsthalle und den Burgfestspielen Bad Vilbel, die großartigen Choreografinnen, die bei uns zu Gast sein werden – es gibt so viel, auf das ich mich allein in der Tanzsparte freue (und da kommt ja noch einiges anderes dazu). Ganz besonders aber freue ich mich auf die Momente, in denen ich mit dem Ensemble und Team auf der Probebühne bin, wir uns die Hirne zermartern, uns Choreografien ausdenken, uns gemeinsam bewegen, entwickeln, tanzen, streiten und spielen, zusammen lachen und uns nerven – und dabei peu à peu ein Stück entsteht. Die Samen der Arbeit zu säen, den Prozess von der Saat bis zur Ernte gemeinsam mit den Menschen, die ich schätze, zu gestalten: Darauf freue ich mich am meisten.

Simone Sterr, Künstlerische Leitung Schauspiel

Was war dein Lieblingsmoment in der letzten Spielzeit?

Immer wieder zu sehen, wie das Ensemble in nur einer Spielzeit zu einem großartigen Zusammenspiel gefunden hat, macht mich echt glücklich. Zuletzt besonders schön bei den Wiederaufnahmen der ersten beiden Stücke der Spielzeit, „Posthuman Journey“ und „Gefährliche Operette“. Wie Künstler:innenpersönlichkeiten gewachsen sind, wie sich Menschen, die vor nicht mal einem Jahr noch neu und zögerlich waren gemeinsam wohl fühlen auf der Bühne und wie sich diese Energie auf das Publikum überträgt – das ist toll. Auch ein Lieblingsmoment: das Publikum im Teegarten. So unterschiedliche und vielstimmige Menschen, die da zusammenkommen. Und wenn ich die Menschen sehe, die mit ihren Kuchenplatten, Schüsseln und Körbchen zu „Teilen und Verweilen“ kommen, um Gedanken, Eindrücke und Essen miteinander zu teilen, geht mir das Herz auf.

Worauf freust du dich in der kommenden Spielzeit?

Auf das Theaterfest am 17. September. Überall ist was los, das Theater platzt aus den Nähten, man kommt mit dem Publikum nochmal anders, leichter und lockerer ins Gespräch als beispielsweise bei einer Premiere. Und auf die erste Schauspielpremiere „Woyzeck“ mit Musik von Tom Waits bin ich besonders gespannt. Die hohe musikalische Qualität der Schauspieler:innen endlich ausspielen zu können, da freue ich mich wirklich drauf. Gerade nach dem ersten Ablauf, zu dem die RegisseurinAmelie von Godin die Mitarbeitenden eingeladen hat. Das war noch auf der Probebühne, aber dort schon extrem vielversprechend …

Mathilde Lehmann, Künstlerische Leitung Junges Theater

Was war dein Lieblingsmoment in der letzten Spielzeit?

Ob ich das ohne Weiteres beantworten kann? Das Jahr war geprägt von so vielen spannenden, aufregenden und auch herzerwärmenden Begegnungen, da fällt es mir wahnsinnig schwer, mich zu entscheiden. In jedem Monat, jeder Woche passierten Dinge, die ich spontan zu Lieblingsmomenten ernennen würde. Bei „Ente, Tod und Tulpe“ gab es als Abschluss der Vorstellung die Möglichkeit, das Bühnenbild zu betreten. Auf der Bühne gab es ein großes Bällebad mit schwarzen Bällen, der „Teich“, in dem die Ente ihren Tag zubringt. Diesen Sturm zu sehen, kein Ansturm, ein Sturm, wie ein Wirbelwind an Kindern an mir vorbeitobt und das Rauschen der Bälle, die aus dem Bällebad fliegen, weil plötzlich mehr Kinder als Bälle in diesem „Teich“ sitzen – das ist die pure Freude. 

Worauf freust du dich in der kommenden Spielzeit?

Auf alles. Auf all die Premieren im Jungen Theater, auf die Umsetzung unserer Pläne, dem Probieren unserer Experimente. Auf das Wiedersehen mit meinen Kolleg:innen, die ich im letzten Jahr neu kennenlernen durfte und die mir zu großen Teilen auch wiederbegegnet sind. Auf eine neue Kollegin im Jungen Theater mit Denitsa Stoyanova, die als Theaterpädagogin mit jungen Menschen arbeiten wird. Auf neue Angebote für junges Publikum. Auf neue Orte, neue Begegnungen, neue Erfahrungen. Ich freu mich auf die Scheinwerfer und den Bühnenboden. Auf Zauber, auf Spaß, auf den Applaus von Kinderhänden. Ich freu mich auf Theater.

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