Weil es in alle Herzen passt
In britischer Tradition des Well-made play erzählt Igor Memic in seinem Stück „Die Brücke von Mostar“ von vier Freund*innen, die Ende der 80er und Anfang den 90er in Jugoslawien den gesellschaftlichen Zerwürfnissen trotzen. Regisseurin Simone Sterr im Gespräch mit Lena Meyerhoff über Lebenslust und Liebe und warum der Stoff so stark ist.
„Die Brücke von Mostar“ handelt von vier jungen Menschen, die den Ausbruch des Krieges in ihrer Heimatstadt Mostar, heute Bosnien-Herzegowina, miterleben. Wieso erschien dir das Stück interessant für ein Gießener Publikum?
Erstmal ist es ein Stück über vier Menschen, Freund*innen, eine Wahlgemeinschaft, die sich gefunden hat und zusammenhält, die gemeinsam auf das Leben zu rennen. Neugierig und ohne Angst. Das Brückenspringen von „Mostar“ symbolisiert diese Lebenslust, den Mut, das Risiko, das Spektakel. Und dann kommt der Krieg mit all seinen schrecklichen Auswirkungen. Aber die Zuneigung, die Zärtlichkeit, der Humor: all das bleibt. Auch in der Erinnerung, auch über das Ende des Lebens hinaus. „Die Brücke von Mostar“ ist ein Stück, in dem es um alles geht: Freude, Schmerz, Leben, Tod.
Das Stück passt in alle Städte, weil es in alle Herzen passt. Nach Gießen passt es vielleicht besonders gut, weil das auch eine junge Stadt ist und hier viele Menschen mit Zukunftsträumen wohnen und solche, die sich an ihre Träume gut erinnern können.

Igor Memic sagte über sein Stück, es sei eine „Love Story“. Inwiefern gehst du mit dieser Aussage mit und was hat dich an dem Stück begeistert?
Ich gehe da sehr gerne mit, denn diese Aussage stimmt in mehrfacher Hinsicht. Zwischen allen auf der Bühne ist ein liebevolles Band geknüpft, das nicht reißt. Zwischen den besten Freund*innen seit Kindestagen, dem besten Freund und dem neu dazugekommenen, der das Kleeblatt perfekt macht. Und ein „richtiges“ Liebespaar gibt es auch: Mili und Mina. Eine Liebe vom ersten Blick an. Eine sehr große, tiefe, gleichberechtigte Liebe. Izabella Radić und Ali Aykar verkörpern dieses Liebespaar mit allem, was geht: Unbeschwertheit, Humor, Innigkeit. Wie alle großen Liebesgeschichten ist auch die zwischen Mili und Mina manchmal traurig, aber immer schön. Ich mag das Stück sehr, weil es herzlich und humorvoll, tiefschürfend, aber nie kitschig ist. Und weil alle Figuren einem sofort ans Herz wachsen. Das ging uns allen schon beim Lesen so und jetzt auf der Bühne natürlich noch mehr. Das Leben feiern, das tut dieses Stück, und wir tun es an diesem Abend auch.
Benötigt es in deinen Augen vor dem Besuch der Inszenierung Vorkenntnisse zum Bosnienkrieg?
Nein gar nicht. Das Stück ist universell. Leider. Ein Krieg mitten in Europa, das hatten wir in den 90er Jahren, und das haben wir jetzt. Das Stück rückt in den Blick, was diese Konflikte mit Menschen machen. Und damit rückt es auch in den Blick, welche Geschichten und Erfahrungen in unserer Gesellschaft sind, in die viele Menschen eine solche Geschichte mitbringen.
Dem Stück ist in den Regieanweisungen recht konkret die Musik der 80er eingeschrieben. Sie scheint die Handlung wesentlich mitzutragen und färbt alles mit einem Hauch Nostalgie ein. Wie bist du in der Inszenierung mit diesen Vorschlägen umgegangen?
„Girls just want to have fun”, “Waiting for a star to call”, “Time of my life”, das sind ja nicht nur coole Songs, die eigentlich alle von uns sofort auf die Tanzfläche locken, das sind Hymnen. Dieser Sound gibt ein Lebensgefühl vor: die totale Ausgelassenheit. Das nutzen wir natürlich. Und in den schlimmen Momenten des Stückes, sind sie Trost und schmerzhafte Erinnerung an die Partys, die man nicht mehr tanzen konnte.
Wie würdest du deine Inszenierung in drei Worten beschreiben, was kann das Publikum erwarten?
Tolle Schauspieler*innen, ein beeindruckendes Bühnenbild, eine starke Geschichte.