Liebes Publikum

Liebes Publikum!

Eine Fotoausstellung ziert derzeit das Rangfoyer des Theaters. Bilder von Menschen, die in den letzten Jahren nach Gießen gekommen sind, fotografiert mit einem Gegenstand, der sie auf ihrem Weg begleitet hat, als sie sich beim Verlassen ihres Landes fragen mussten, was wirklich wichtig ist. Es sind keine „praktischen“ Gegenstände, sondern Dinge, die in ihrem Wert nicht zu bemessen sind – weil sie mit der Geschichte der einzelnen Menschen verbunden sind, weil sie von dieser erzählen.

Mich berühren diese „Erinnerungsstücke“, die von der Fotografin Claudia Dewald ins Bild gesetzt wurden. Täglich freue ich mich darüber, dass die Menschen auf den Bildern durch dieses Projekt mit dem Theater verknüpft und dort sichtbar sind. Ihre Geschichten in unserem Theater betrachte ich als großes Geschenk.  

Den Impuls für das Projekt gab Philipp Gregorian, Regisseur von „Xerxes“, der nächsten großen Premiere im Musiktheater.

Ginge es nach den menschenverachtenden Plänen der rechtsextremen Kräfte dieses Landes, die sich auch in den Parlamenten breit machen, sollten die Menschen auf den Bildern ihre Sachen schleunigst wieder packen, so wie unsere in Berlin geborene Dramaturgin für Stadtvernetzung und deutsche Staatsbürgerin Cennet Alkan, die die Texte zur Ausstellung geschrieben hat. In dieser rechtsradikalen Fantasie hätte unser „Xerxes“- Regisseur gar nicht erst kommen dürfen. Es ist ein fürchterliches Szenario, das sich in diesem Theater, einem durch und durch internationalen Betrieb unterschiedlichster Menschen und in der gesamten Gesellschaft fortschreiben ließe. Ein Szenario, das es mit aller Kraft zu verhindern gilt.

Zurzeit gerate ich häufig in Diskussionen darüber, was Kunst in diesem Zusammenhang kann und tun sollte, wo ihre Wirkmacht aufhört und die Politik beginnt.

Welche Menschen, Themen und Geschichten ein Theater in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt und welche politische Haltung es – auch in der Persönlichkeit der Theaterleitung – einnimmt und nach außen trägt ist – meiner Ansicht nach – nicht unbedingt zu trennen.

Geschichten erzählen und Haltung zeigen gehört für ein Theater, das sich als Spielort im gesellschaftlichen Prozess versteht, zusammen.

In der vergangenen Spielzeit wandte sich eine Gruppe unzufriedener Zuschauer*innen mit den Worten an mich, Themen wie Rassismus und Migration könnten doch gern im kleinen Haus verhandelt werden aber in „unserem Stadttheater wollen wir das nicht sehen“.

Was „unser“ ist, wer „wir“ sind, und wer die Deutungshoheit darüber beansprucht ist wahrscheinlich eine eigene Kolumne wert. Wichtig ist, dass es zur Errungenschaft der Kunstfreiheit gehört, diese Stimmen wahrzunehmen, ihnen aber nicht nachgeben zu müssen.

In unser Stadttheater gehören die Menschen auf den Bildern der Ausstellung „Erinnerungsstücke“, gehört die Auseinandersetzung mit rechtem Terror früher und jetzt, gehört das Ringen um Aufklärung der Nazi-Verbrechen in „Der Staat gegen Fritz Bauer“, gehören die Lieder für die Opfer rechter und rassistischer Gewalt in dem Abend „Vergissmeinnicht“.

Viele Menschen in dieser Stadt schätzen und erwarten das von „ihrem“ Theater.

 „Sei a Mensch“ zitierte Marcel Reif seinen in Auschwitz ermordeten jüdischen Vater im deutschen Bundestag, „Nie wieder ist jetzt!“ steht über dem Eingang des Stadttheaters.

Menschlichkeit und Wachsamkeit. Viele in diesem Land setzen sich dafür ein.

Wir auch.

Simone Sterr


Was Sie auch interessieren könnte

Erinnerungsstücke

Eine Fotoausstellung anlässlich der Neuproduktion „Xerxes“

Nie wieder ist jetzt!

Rechte Gewalt gestern und heute | Doppelabend mit „Der Staat gegen Fritz Bauer“ am 18.2. und „Vergissmeinnicht“ (Liederabend) am 19.2.

Diese Website verwendet Cookies, um ein gutes Surferlebnis zu bieten

Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website verfügbar sind.

Diese Website verwendet Cookies, um ein gutes Surferlebnis zu bieten

Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website verfügbar sind.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert.
Diese Website verwendet Cookies, um ein gutes Surferlebnis zu bieten

Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website verfügbar sind.

Diese Website verwendet Cookies, um ein gutes Surferlebnis zu bieten

Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website verfügbar sind.

Ihre Cookie-Einstellungen wurden gespeichert.