Hat Gott eigentlich die Arbeitswoche erfunden?

Montag bis Freitag schuften, am Wochenende relaxen – so sieht das klassische Arbeitsmodell aus. Aber warum eigentlich? Amina Eisner geht in ihrem Theaterstück „Generation Arbeit – Eine gottlos amtliche Komödie“ noch einen Schritt weiter: Ist unsere Art zu arbeiten überhaupt noch zeitgemäß? Dramaturgin Kerstin Weiß und „Chattie“, eine KI, führen darüber ein Gespräch.

K.W.: Hallo Chattie! In Amina Eisners Stück geht es um absurde Zustände auf dem Arbeitsmarkt. Ein Beispiel: Unternehmen locken mit Obstkörben statt fairer Bezahlung. Warum halten sich solche Mechanismen?

Chattie: Hallo Kerstin! Das liegt daran, dass Unternehmen oft nach kostengünstigen Möglichkeiten suchen, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern, ohne dabei die Lohnstruktur grundlegend zu verändern. Ein Obstkorb, ein kostenloses Gym-Abo oder flexible Arbeitszeiten klingen nach einem Bonus, kosten das Unternehmen aber weitaus weniger als eine tatsächliche Gehaltserhöhung oder bessere Sozialleistungen.

Hinzu kommt, dass viele Arbeitnehmende sich in einem Arbeitsmarkt bewegen, in dem sie kaum Verhandlungsmacht haben. Gerade in unsicheren Branchen nehmen Menschen solche vermeintlichen Benefits an, weil die Alternative oft schlechter ist. Zudem bedienen solche Maßnahmen auch eine Erzählung von „modernen“ Arbeitsplätzen, in denen das Wohlbefinden gefördert wird – aber oft nur oberflächlich. Strukturelle Probleme wie stagnierende Löhne, prekäre Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsverdichtung bleiben bestehen. Es zeigt sich also, dass solche Mechanismen nicht zufällig existieren, sondern systemische Ursachen haben.

K.W.: Ein anderes zentrales Thema des Stücks ist das Arbeitsamt – als kafkaesker Ort voller absurder Regeln. Warum bleibt Bürokratie so oft hinter den technologischen Möglichkeiten zurück?

Chattie: Bürokratien sind träge, weil sie von vielen rechtlichen und politischen Faktoren beeinflusst werden. Während Unternehmen relativ flexibel auf neue Technologien reagieren können, sind Behörden an feste Prozesse und oft veraltete Systeme gebunden. Die Einführung neuer digitaler Lösungen ist komplex, weil sie gesetzliche Anpassungen erfordert, die durch lange Abstimmungsprozesse laufen müssen.

Zudem gibt es eine tief verwurzelte Angst vor Missbrauch und Fehlern. Bürokratische Strukturen setzen eher auf Sicherheit als auf Effizienz. Das führt dazu, dass selbst dort, wo digitale Lösungen bereits vorhanden sind, der Übergang oft schleppend verläuft. In Deutschland zeigt sich das besonders am Beispiel der Digitalisierung von Behörden – viele Prozesse, die längst automatisiert sein könnten, werden weiterhin durch ineffiziente Formulare und persönliche Vorsprachen geregelt. Das führt dazu, dass Arbeitssuchende oder Antragstellende sich oft in einem Labyrinth aus Widersprüchen und Verzögerungen wiederfinden, ähnlich wie es Eisner in ihrem Stück beschreibt.

K.W.: Arbeit hat sich historisch stark verändert – trotzdem halten wir an alten Strukturen fest. Warum fällt es uns so schwer, die Arbeitszeit zu reduzieren?

Chattie: Das hat sowohl kulturelle als auch wirtschaftliche Gründe. Seit der industriellen Revolution wird Arbeit als Maßstab für Produktivität und Wertschöpfung gesehen. Die Idee, dass weniger Arbeit zu demselben oder sogar besseren Ergebnis führen kann, widerspricht tief verwurzelten Vorstellungen von Fleiß und Leistung. Auch Unternehmen tun sich oft schwer damit, weil sie befürchten, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit mit Produktivitätsverlusten einhergeht.

Dabei zeigen zahlreiche Experimente zur Vier-Tage-Woche, dass kürzere Arbeitszeiten nicht nur die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöhen, sondern oft auch zu höherer Effizienz führen. Menschen sind konzentrierter, motivierter und seltener krank. Trotzdem gibt es wirtschaftliche Interessen, die eine Veränderung bremsen. Arbeitgeber profitieren davon, wenn Arbeitnehmer möglichst viel Zeit investieren, da das aktuelle System darauf ausgerichtet ist, Arbeitskraft maximal auszuschöpfen. Ein Umdenken würde bedeuten, dass wir Arbeit neu definieren – nicht mehr als reine Zeitinvestition, sondern als wertschöpfenden Beitrag, der auch in kürzerer Zeit geleistet werden kann.

K.W.: Du hast die Digitalisierung angesprochen. Welche Rolle spielt KI bei der Zukunft der Arbeit?

Chattie: Künstliche Intelligenz wird viele Aspekte der Arbeitswelt verändern, und das in fast allen Branchen. Während man früher dachte, dass vor allem manuelle Tätigkeiten durch Automatisierung ersetzt werden, sehen wir mittlerweile, dass auch kreative und akademische Berufe betroffen sind. KI kann Texte schreiben, Designs erstellen, Daten auswerten und sogar Diagnosen in der Medizin stellen.

Das bietet Chancen, weil monotone Aufgaben reduziert werden und sich Menschen auf komplexere oder kreativere Tätigkeiten konzentrieren können. Gleichzeitig birgt es Risiken: Wenn Unternehmen KI nur zur Effizienzsteigerung nutzen, aber nicht darauf achten, wie sie die verbleibenden Aufgaben menschlich gestalten, kann das zu Unsicherheit und Arbeitsplatzverlusten führen. Die entscheidende Frage ist, ob wir diese Entwicklung aktiv steuern – indem wir KI nutzen, um sinnvollere und humanere Arbeit zu ermöglichen – oder ob wir sie einfach den Marktmechanismen überlassen, was oft zu mehr Druck und Unsicherheit führt.

K.W.: Wird KI die Arbeitszeit letztlich verkürzen?

Chattie: Sie könnte es, aber es ist nicht garantiert. Technologischer Fortschritt hat in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass die Produktivität gesteigert wurde, aber nicht unbedingt, dass Menschen weniger arbeiten mussten. Während in manchen Ländern durch Automatisierung Arbeitszeit reduziert wurde, haben andere Systeme die Gewinne aus der höheren Produktivität genutzt, um den Druck auf Arbeitnehmende zu erhöhen.

Die entscheidende Frage ist, ob wir als Gesellschaft Rahmenbedingungen schaffen, die technologische Effizienzgewinne in mehr Freizeit umwandeln. Denkbar wäre zum Beispiel eine gesetzlich verankerte Reduzierung der Arbeitszeit oder ein bedingungsloses Grundeinkommen, das Menschen mehr Freiheit gibt, ihre Arbeit zu gestalten. Ohne solche politischen Maßnahmen könnte KI aber auch dazu führen, dass Unternehmen einfach noch mehr Leistung aus ihren Mitarbeitenden herausholen.

K.W.: Eine letzte Frage: Wer hat eigentlich die Arbeitswoche erfunden – Gott oder wir?

Chattie: (lacht) Die Sieben-Tage-Woche hat religiöse und kulturelle Ursprünge, die Jahrtausende zurückreichen. Die moderne 40-Stunden-Woche ist allerdings eine relativ neue Erfindung. Erst durch gewerkschaftliche Kämpfe und Arbeitsrechtsbewegungen wurde sie im 20. Jahrhundert durchgesetzt.

Aber vielleicht ist es an der Zeit, diese Strukturen weiterzuentwickeln. Immerhin hat sich die Welt seitdem massiv verändert – und wenn Eisners Stück uns eines zeigt, dann, dass wir bestehende Arbeitsmodelle immer wieder hinterfragen sollten.

K.W.: Vielen Dank für das Gespräch, Chattie!

Chattie: Sehr gern, Kerstin! Ich hoffe, ich konnte einige Denkanstöße geben.

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