Orbis
Tanz von Paula Rosolen
- URAUFFÜHRUNG
- Kleines Haus
Es ist ein gewagtes Unternehmen, den Zauber der Sinnenwelt einer Zergliederung seiner Elemente zu unterwerfen.
Alexander von Humboldt
Das Zeitalter des Barocks schuf mit seinen Erkenntnissen der Kosmologie und Mechanik das Bild des Universums als feingliedriges Uhrwerk. Die Choreografin Paula Rosolen greift dieses barocke Weltverständnis auf, um es unter dem Blickwinkel unseres heutigen Lebensgefühls zu radikalisieren und dekonstruieren. Das rasante Tempo der technologischen Entwicklung sowie der ständigen Flut von Informationen erleben wir als kontinuierliche Beschleunigung des Immergleichen, in dem wir uns zuweilen wie ein Rädchen im Getriebe fühlen. Es bereitet uns Schwindel und zugleich ein Gefühl der Stagnation, wobei wir die Sicherheit über unseren Platz in der Welt zunehmend in Frage stellen.
In einem kontinuierlichen Tanz der Gegensätze verbinden sich in „Orbis“ Geschichte und Zeitgenossenschaft zu einem hypnotischen Kaleidoskop, in dem die Grenzen zwischen Zeitepochen und ihren Stilen verwischen: zwischen Bewegungen nach barocken Bodenmotiven und Tanznotationen, erscheinen Tiere und Maschinen futuristischer Prägung. Gegensätzliche Bilder laufen zusammen in einem sich stetig verändernden kreisförmig zusammenlaufenden System, in dem die kleinste Veränderung zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen kann. Im Strudel der Orientierungslosigkeit eröffnet sich so ein neuer Möglichkeitsraum der Zeitlosigkeit und universellen Verbindung mit der Welt, in der sich im Netz der unendlichen Zufälligkeiten der Mensch unaufhörlich weiterentwickelt.
Unter Verwendung der Werke:
Johann Sebastian Bach: Partita a-Moll für Flöte, BWV 1013, 1. Allemande (1722/23)
Henry Purcell: The Cold Song, in einer Interpretation von Klaus Nomi (1981)
The Baroque era, with its insights into cosmology and mechanics, created the image of the universe as a delicate clockwork. The choreographer Paula Rosolen takes up this baroque understanding of the world in order to radicalize and deconstruct it from the perspective of our present-day attitude to life. We experience the rapid pace of technological progess as well as the constant flood of information as a continuous acceleration of the always-same, in which we sometimes feel like a cog in a wheel. It causes us dizziness and at the same time a feeling of stagnation, whereby we increasingly question our certainty about our place in the world.
In a continuous dance of opposites, history and contemporaneity combine in Orbis to form a hypnotic kaleidoscope in which the boundaries between eras and their styles become blurred: between movements that follow baroque floor motifs and dance notations, animals and machines of a futuristic character appear. Contrasting images converge in a constantly changing circular system in which the slightest change can lead to unpredictable results. In the maelstrom of disorientation, a new possibility space of timelessness and universal connection with the world thus opens up, in which mankind is incessantly evolving in the web of infinite contingencies.
Mit
„Was sehen wir auf der Bühne: Menschen, Planeten, Umlaufbahnen? Vielleicht sind es auch Maschinenteilchen oder rotierende Gedankenkonstrukte? Alles ist möglich, das Publikum in der Premiere des Tanztheaterstücks »Orbis« von Paula Rosolen jedenfalls war schwer beeindruckt von den glänzenden Impressionen ganz in rot-schwarz, die sich auf der Bühne des Kleinen Hauses offenbarten.“
Ulla Hahn-Grimm, Gießener Anzeiger, 19.06.2023
„Alles dreht sich, fließt und schwebt. Vom Barock in eine ungewisse Zukunft. Das Tanzstück »Orbis« von Paula Rosolen wirkt im Kleinen Haus des Stadttheaters wie von der Muse geküsst. Fein, rein und rund. Selten ist eine Tanzpremiere im Kleinen Haus des Stadttheaters von einer derart bezaubernden Symbiose geprägt. Paula Rosolen schickt fünf Tänzer, drei Frauen und zwei Männer, in dunklen Reifrockkleidern mit futuristischen, eng anliegenden Oberteilen auf eine feuerwehrrote Tanzfläche. […] Wem die weltumgreifende Story ein wenig zu nachdenklich, ja schwermütig erscheint: Der Betrachter kann den von Rosolen gewählten Ansatz einfach über Bord werfen und mit »Orbis« eine abstrakte Tanzvorführung genießen, die es in sich hat mit ihrer berückenden Schönheit.“
Manfred Merz, Gießener Allgemeine Zeitung, 19.06.2023
„Auf rot glänzendem Tanzboden, vor schwarzen Wänden mit goldfarbenen Fußleisten und Türrahmen, bewegen sich fünf Tänzer*innen in zeitlupenhaftem Gleichklang. Die schwarzen Kostüme sind am Oberkörper enganliegend und bis an den Hals geschlossen, verziert mit Teilstücken von barocken Halskrausen. Religiöse Strenggläubigkeit und züchtiges Verhalten sind assoziierbar. Im Anfangsteil dominieren die weit ausladenden Reifröcke optisch, sie bestimmen auch den vorsichtigen Bewegungsmodus der Tanzenden. Es wirkt wie ein Schweben oder wie das Gleiten auf Magnetbahnen. Zusammen mit der spotartigen Beleuchtung entstehen wunderschöne Bilder, die auch an das typische Chiaroscuro (Helldunkel) in Caravaggio-Gemälde erinnern.“
Dagmar Klein, tanznetz.de, 18.06.2023
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