Wir können alles sein!

Mezzosopran heißt die Frauenstimmlage zwischen Sopran und Alt. Händels „Xerxes“ verlangt gleich drei Mezzosopranstimmen: für Xerxes, seine Schwester sowie seine Verlobte. Ensemblemitglied Jana Marković (Arsamena) erhält deshalb in dieser Produktion Gesellschaft von Fanny Lustaud (Xerxes) und Polina Artsis (Amastre). Bei Kaffee und Pfefferminztee sprachen die drei Sängerinnen über tiefe und hohe Töne, Klischees und sogenannte Hosenrollen.

Wann und wie findet man eigentlich heraus, welche Stimmlagen man hat?

Jana Marković (JM): Gleich die schwierigste Frage am Anfang! Es ist jedenfalls nicht so, dass eine Sopranistin keine tiefen und eine Mezzosopranistin keine hohen Töne singen kann. Es geht eher um das Timbre, wobei es heute auch dunkel timbrierte Sopranistinnen und hell klingende Mezzosopranistinnen gibt. Die Frage ist, in welcher Lage eine Stimme am besten klingt, und die Antwort kann sehr individuell sein.

Fanny Lustaud (FL): Ich kenne zum Beispiel eine Sopranistin, die tiefere Töne als ich singen kann, aber sie ist in dieser Lage nicht laut genug, um über das Orchester zu kommen. Das ist auch ein Aspekt. Bei mir war die Stimmlage eigentlich immer klar, schon im Kinderchor habe ich immer Alt gesungen. Ich bin auch Hornistin und habe auch auf dem Instrument die tiefen Töne mehr genossen als die hohen. Meine Stimme hat sich im Laufe der Zeit eher nach oben entwickelt. Xerxes war eine Kastratenrolle und liegt zum Teil so hoch wie eine Sopranpartie.

Polina Artsis (PA): Ich war auch im Kinderchor, aber zuerst im 1. Sopran. Ich kann mich noch genau erinnern, wann sich das änderte: Als ich elf Jahre alt war, war ich mit dem Chor in einem Sommer-Ferienlager. Die Chorleiterin war unzufrieden mit mir, weil ich zu laut gesungen habe. Da hat sie mich in den 1. Alt geschickt. Wahrscheinlich hat sie nur gehört, dass ich in der tieferen Lage gut durchkomme, aber mir hat es damals das Herz gebrochen, weil ich es für eine Strafe gehalten habe! Später war ich sogar im 2. Alt, weil ich auch sehr tiefe Töne singen kann. Da bin ich ziemlich lange geblieben, obwohl ich definitiv kein tiefer Alt bin. Für die Aufnahmeprüfung am Konservatorium war es dann für mich klar, dass ich mich als Mezzosopran bewerbe.

Und bei dieser Einschätzung ist es geblieben?

PA: Ja, aber es gab auch Irritationen. Als ich in Russland studiert habe, gab es bei einigen noch das Vorurteil, dass eine russische Mezzosopranistin schwer und dunkel klingt. Für dieses Klischee ist meine Stimme zu leicht, und deshalb meinten manche, dass ich eigentlich eine Sopranistin bin. Meine Lehrerinnen haben mich aber immer unterstützt. Barockmusik spielte im Studium in Russland keine Rolle, selbst Mozart galt nicht als „richtige“ Oper, sondern – etwas übertrieben ausgedrückt – als Repertoire für Leute mit wenig Stimme. Händels Opern habe erst im Studium in Weimar richtig kennengelernt. Da habe ich bemerkt, dass meine Stimme darauf fantastisch reagiert und dachte: Ja, das möchte ich machen!

JM: Ich kann das gut nachvollziehen, dieses Klischee gibt es wohl überall in Osteuropa. Ich bin in Serbien aufgewachsen und habe meine Ausbildung dort als Sopran begonnen. Meinen Studienplatz in Bern habe ich aber als Mezzosopranistin bekommen. Es gibt auch noch andere Vorurteile, zum Beispiel das Aussehen betreffend: Man hat mir manchmal gesagt, mein Aussehen sei das einer Soubrette [einer leichten Sopranstimme], nur weil ich eher klein bin. Dabei ist die berühmte Mezzosopranistin Brigitte Fassbaender auch nicht viel größer als ich. Also bitte hört mit diesen Klischees auf!

Eine Besonderheit eurer Stimmlage ist, dass es viele sogenannte Hosenrollen für Mezzosopran gibt. Wie geht es euch damit?

FL: Für mich ist es einfacher, einen Mann zu spielen als eine Frau – vielleicht, weil es weiter weg ist von mir. Als Mann kann ich mehr machen. Es ist auch viel lustiger!

Jana, du hast zu Beginn der Proben von „La Clemenza di Tito“ gesagt, dass du gerne den „Macho“ spielst, es dir aber schwerfällt, einen „netten“ Mann zu spielen.

JM: Stimmt! Aber Sesto durfte auch ein kleiner italienischer Macho sein. Er ist noch jung und unsicher mit seiner Maskulinität, daher übertreibt er manchmal ein bisschen. Aber was hast du eben damit gemeint, Fanny, dass man als Mann mehr machen darf?

FL: Ich fühle mich als Mann freier, weniger an Klischees gebunden. Das ist eine persönliche Sache, glaube ich. Du hast das Gefühl, als Mann leicht in Stereotype zu verfallen. Mir geht es so, wenn ich als Frau zum Beispiel „kokett“ spielen soll, was meiner eigenen Persönlichkeit nicht entspricht. Dann habe ich schnell das Gefühl, ich übertreibe oder spiele eine Karikatur.

PA: Ich habe seit meiner Kindheit gerne Männer gespielt. Ich war nie eine Prinzessin, sondern lieber Hexe oder Pirat. Mein Körperbau ist allerdings so, dass mir heute selten Hosenrollen gegeben werden, obwohl ich es gerne mache. Meine erste Rolle im Konservatorium war eine Hosenrolle. Sie dauerte nur drei Takte, aber ich war überglücklich und habe fleißig geübt, wie ein Mann zu laufen. Aber ich spiele auch gerne Frauen!

Immerhin dürft ihr Hexen, Huren, Männer und alte Frauen spielen und nicht nur verliebte Prinzessinnen wie die typische Sopranistin!

PA: Ja, Mezzi haben es viel besser! Wir können alles sein: An einem Tag Rosina in „Der Barbier von Sevilla“ und am nächsten Baba the turk in „The Rake’s Progress“ – mit langem Bart!

Wie geht es euch mit eurer aktuellen Rolle?

FL: Als ich die Partie des Xerxes erstmals durchgesehen habe, dachte ich: Ohje, das ist viel – viele Arien und alleine 22 Rezitative! Aber es fühlt sich jetzt nicht mehr so an. Die Regie erlaubt uns, im Verlauf der Oper eine Entwicklung durchzumachen, und das fühle ich dann auch. Auch gibt es so viele Räume und so viele starke Charaktere, dass das Stück schnell vorangeht.

PA: Ich habe einige technische Herausforderungen in meiner Rolle, schwierige und lange Koloraturen zum Beispiel. Aber ich finde, dass die Szene dabei hilft, weil der Regisseur wirklich mit der Musik arbeitet und alles daraus nimmt. Manches, was beim Üben unmöglich schien, geht plötzlich auf der Szene ganz leicht.

JM: Für mich war es eine Herausforderung, dass Arsamena so viele melancholische Arien hat. Das entspricht nicht gerade meinem Charakter! Aber ich kann viel mit dieser Figur anfangen, die von ihrem dominanten Bruder (Xerxes) unterdrückt wird. Es hilft mir, dass ich die einzelnen Situationen gut nachvollziehen kann. Ich finde, dass man gute Regie daran erkennt, dass das Singen durch die Szene leichter wird.

Das Gespräch führte Ann-Christine Mecke

Im Bild: Fanny Lustaud, Polina Artsis und Jana Marković beim Herumalbern auf der Probebühne.

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