Preview-Konzert: Der Atem der Berliner 1920er

Kurz vor dem nächsten Preview-Konzert gibt Dirigent Andreas Schüller in diesem Magazinbeitrag erste Einblicke zu den Besonderheiten der gespielten Werke und wirft ein Schlaglicht auf dieses besondere Format, das Sie sich – ob Konzertliebhaber*in oder Konzertneuling – nicht entgehen lassen sollten.


Nach dem letzten Preview-Konzert schilderte die junge Tochter meiner Nachbarin, die im Konzert war, begeistert ihre Eindrücke von diesem Erlebnis. Gleichzeitig meldete sich ein sehr routinierter älterer Konzertbesucher bei mir, der ebenso etwas ganz Besonderes am Preview-Konzert für sich entdeckt hat – jemand, der schon sein ganzes Leben ins klassische Konzert geht, findet bei diesem Format also ebenso etwas, das ihn begeistert, wie ein Mensch, der zum ersten Mal im Saal sitzt. Unser Format des Preview-Konzertes scheint aufzugehen!

Dieses andersartige Konzerterlebnis mit verkürzter Dauer, dafür mit Moderation und Überraschungen, ist im Besonderen für Menschen gestaltet, die Berührungsängste mit der vermeintlich steifen Gattung Konzert haben. Dass dem nicht so ist, beweist dieses Format auf unterschiedliche Weise. Dazu trägt bei, dass ausgewählte Zuhörer*innen während des Konzerts zwischen den Musiker*innen auf dem Podium Platz nehmen dürfen und unmittelbar nah dran sind – ein ungewöhnliches und einzigartiges Hörerlebnis! Auch bei dem an das eigentliche Konzert sich anschließenden Teil im Foyer kommen unser Publikum und alle beteiligten Künstler*innen bei musikalischen Zugaben und einem Getränk entspannt miteinander ins Gespräch. Als Orchester bekommen wir dabei Anregungen und sehr konkrete Rückmeldungen, was unsere Zuhörer*innen mögen und was eher nicht. Diese kleiner gewordene Distanz, auch zwischen den Solist*innen und dem Publikum, ist für viele Menschen ein Highlight und setzt die Einstiegsschwelle zum klassischen Konzert so niedrig wie möglich.

Die Preview ist aber auch ein Format für Menschen, die bereits das klassische Konzert kennen und schätzen und gerne noch mehr erfahren möchten. Wenn Sie bereits ein*e begeisterte*r Konzertgänger*in sind, kommen Sie das nächste Mal doch in Begleitung von Menschen, die noch nie oder eher selten im Konzert waren, zur Preview. Mit Menschen aus Ihrem Umfeld, denen Sie das klassische Konzert auf diese unkomplizierte Weise näherbringen möchten. Das sind vielleicht Kinder und Jugendliche, ebenso wie Ihre Nachbarinnen und Nachbarn, oder ihr*e Friseur*in – Menschen, mit denen Sie ein besonderes Erlebnis und gemeinsame Zeit teilen möchten.

Beim nächsten Preview-Konzert stellen wir unter anderem die Paganini-Variationen von Boris Blacher und Witold Lutosławski gegenüber. Darüber hinaus werden wir auch die Sinfonie Nr. 2 von Kurt Weill in Ausschnitten hören. Alle Stücke, die wir spielen, sind für das Orchester sehr anspruchsvoll, aber man ist überrascht, wie jedes Werk auf seine ganz eigene Weise zugänglich ist – gerade bei diesen vermeintlich selten gespielten Komponisten. Das ist keine sperrige 20. Jahrhundertliteratur, sondern alles ist sehr musikantisch im besten Sinne. Bei Kurt Weills 2. Sinfonie haben wir es mit einer Komposition zu tun, die an seine berühmte Songspiele und an seinen in Deutschland etablierten Stil anzuknüpfen weiß. Erstaunlicherweise ist es auch eine Musik, die man ganz konkret im Berlin der 1920er Jahre verorten kann: Sie atmet ganz authentisch die Schnelllebigkeit dieser Zeit, den Zeitgeist einer Großstadt, die rasant um ein Vielfaches auf fast 4 Millionen Einwohner*innen auf engem Raum angewachsen ist, in der neue technologische Meilensteine wie die Elektrifizierung und damit die Straßenbahn etabliert wurden. Die Musik gibt das im besonderen Maße wieder. Sie ist durch und durch unromantisch und zügig vorwärtsdrängend, wie auf den Straßen Berlins zu der Zeit. Außerdem darf man sich auf den sehr humorvollen und lässigen jungen Pianisten Wataru Hisasue als Solisten des Abends freuen.

Im Foyer-Gespräch bekommen wir übrigens auch immer wieder Vorschläge für unsere Konzertprogramme, welche Stücke wir denn einmal unbedingt spielen sollten. Schauen Sie einmal vorbei und wenn auch Sie einen Vorschlag parat haben, finden Sie ihn mit etwas Glück vielleicht in einem der nächsten Konzertprogramme der kommenden Saison wieder …


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