Schreiend und roh

Bei Mahlers 4. Sinfonie hat es Konzertmeister Ivan Krastev mit gleich zwei Instrumenten zu tun, die er spielt. Was es damit auf sich hat und wie eine schreiende Fidel ins Spiel kommt, berichtet er in diesem Magazinbeitrag.


Die Sinfonien von Gustav Mahler, wie schön sie auch sind, sind immer sehr anspruchsvoll zu spielen. Der Komponist schreibt ungemein detailreich, Phrasen, die mehrmals kommen, werden oft neu geformt, Crescendi führen zu unterschiedlichen Punkten hin oder Akzente werden verschoben, was ein hohes Maß an Präzision von uns abverlangt und dem Hörer ein reiches Ereignis bietet. Da wird es einem sicherlich nicht langweilig!

Die 4. Sinfonie von Mahler hält in jedem Satz eine oder mehrere Solostellen für die erste Violine bereit. Was aber wirklich ungewöhnlich ist, ist der zweite Satz der Sinfonie, den Mahler mit „In gemächlicher Bewegung. Ohne Hast“ überschrieben hat. Mahler fordert hier zwei Instrumente, mit denen der Sologeiger ausgestattet sein muss, „von denen das eine um einen Ganzton höher, das andere normal gestimmt ist“ wie er schreibt. Ich habe beim Konzert zwei Instrumente dabei. Bei der einen Violine habe ich im Gegensatz zur anderen bevor es los geht alle vier Seiten schon um einen Ganzton höher gestimmt. Beim zweiten Satz muss ich zwischen beiden Instrumenten mehrmals hin und her wechseln.

Bei der Interpretation stehe ich dabei vor zumindest zwei besonderen Herausforderungen: Die erste ist eher „technischer“ Natur. Mahler hat die Stimme der Solovioline so notiert, wie man sie auf eine normal-gestimmte Geige greifen würde. Da ich das absolute Gehör habe, habe ich das Problem Unterschiedliches sehen und hören zu müssen. Ich kann mir nicht einbilden, dass ich den Ton E spiele, wie es notiert ist, wenn ich höre es erklingt der Ton Fis. Diese Diskrepanz zwischen Notenbild und Hörergebnis hat mir bei der Vorbereitung viel Zeit abverlangt. 

Viel wichtiger ist natürlich die Frage, welchen Klang sich Mahler dabei gedacht hat, wenn er eine Violine höher stimmen lässt? Er schreibt in der Partitur „wie eine Fidel“. Mit dieser Angabe ist mir noch nicht restlich klar, welcher Klang ihm genau vorschwebte. Sicher ist, dass sich durch das Umstimmen der Violine um einen Ganzton höher der Klang verändert. Es wird dann enger und schärfer klingen. Er selbst nannte es einmal „schreiend und roh, wie wenn der Tod aufspielt“. Er hat sich an dieser Stelle bestimmt keinen warmen, schönen Klang vorgestellt.

Wie ich den Klang der umgestimmten Violine letzten Endes forme, hat aber auch viel mit unserem Publikumssaal und dem Zusammenspiel mit meinen Kolleg:innen im Orchester zutun. Wenn man das alleine für sich ausprobiert, bleibt es immer erst mal etwas theoretisch. Erst bei den gemeinsamen Proben kann die richtige Klangfarbe gefunden und justiert werden.


Wenn Sie hören wollen, wie Ivan Krastev den Klang der schreienden Fidel in Mahlers 4. Sinfonie interpretiert, haben Sie an gleich zwei Terminen die Möglichkeit dazu. Bei der Preview am 31. Mai, bei der Dirigent Andreas Schüller moderierend durch das Konzert führt und diese und weitere Besonderheiten erläutert, sowie beim 6. Sinfoniekonzert am 1. Juni.

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