Demokratie kann man üben
Liebes Publikum,
Demokratie? Kann man üben. Und das Theater ist einer der Orte, an denen das richtig gut geht.
Weil hier Menschen vielfältigster Prägung, Herkunft, Weltsicht täglich zusammenkommen für eine miteinander gestaltete und von zahlreichen Schultern unterschiedlicher Höhe, Breite, Größe und Stärke getragene gemeinsame Sache: unsere Inszenierungen.
Um diese auf die Beine bzw. die Bretter zu stellen, die die Welt sein können, wird gerungen, gestritten, ausgehandelt, werden verschiedene Perspektiven eingenommen, Meinungen zugelassen. Die Erzählungen, die wir dann mit Ihnen teilen, treffen auf ein Publikum, das mindestens genauso vielfältig und unterschiedlich ist und unseren Angeboten noch weitere Perspektiven hinzufügt.
Diese Zusammentreffen sind unendlich wertvoll. Sie schulen unsere Fähigkeit, die eigene Sichtweise zu verlassen, neu und anders hinzuschauen. Im Spiel, in der Fiktion, in der Kunst, im Genuss, in der Ablenkung vom Alltäglichen. Denn all das soll, darf und kann das Theater sein. Wenn wir es dann noch schaffen, nicht nur die ganze Stadtgesellschaft zu meinen, sondern auch zu erreichen, ist eine Menge gewonnen. Uns ist das in der letzten Spielzeit immer wieder gelungen und auch in dieser Saison arbeiten wir weiter daran, einen fröhlichen, gastfreundlichen, für alle offenen Platz zu kreieren.
Mit „Am Ende“ erzählen wir davon, dass es noch Hoffnung gibt, mit „Honigherz“ laden wir zur inklusiven Performance, bei der sich alle wohlfühlen dürfen, mit „Zauberdings“ machen wir das offenherzige Angebot, sich der Geschichte von Papageno im wahrsten Sinne des Wortes anzuschließen und gemeinsam durch diese Stadt in dieses Haus zu pilgern. Mit „faulender Mond“ erzählen wir von der Verführung vereinfachender politischer Inhalte, mit „Die Orestie“ steht eine düstere Geschichte der Vererbung von Krieg und Gewalt von Generation zu Generation auf dem Programm, aber eben auch die Utopie, diese Spirale zu durchbrechen. Mittels Demokratie.
In dieser Zeit, in der sich antidemokratische Kräfte demokratisch wählen lassen mit dem Ziel, die demokratischen Grundsätze auszuhöhlen und abzuschaffen, ist das Theater der Ort, an dem Populismus, Vereinfachung und Polarisierung einfach mal Pause machen.
Seien Sie dort sehr herzlich Willkommen.
Ihre Simone Sterr