Explosive Mischung

Der Destroy Preis verspricht etwas Glamour nach Gießen zu bringen. Um Sie vor der Gala auf mögliche Fettnäpfen vorzubereiten, haben die Autoren unserer Weltuntergangskomödie „Apokalypse Miau“, Kristof Magnusson und Gunnar Klack, ein Who is Who der geladenen Gäste zusammengestellt.

Bonnie van Klompp – Moderatorin der Preisverleihung

Bonnie van Klompp stammt aus den Niederlanden. Sie steht in einer langen Tradition von Entertainern im deutschsprachigen Showbusiness, die aus dem Nachbarland nach Deutschland gekommen sind. Bonnie hat eine positive Lebenseinstellung, ist generell optimistisch. Wer sie kennenlernt, weiß nie so genau, ob ihr Optimismus auf einer gewissen Naivität beruht oder ob sie sich ihren Optimismus und ihre positive Lebenseinstellung erhalten hat, obwohl sie selbst genau weiß, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Bonnie ist alt genug, um schon recht viel Erfahrung auf Bühnen gesammelt zu haben. Sie ist aber keineswegs so weltgewandt und erfolgreich wie ihre etwas ältere Kollegin Celeste Engel. Vielleicht ist es für uns Zuschauer*innen aus dem deutschsprachigen Raum auch einfach nur schwer möglich, eine Person, die positiv gestimmt und optimistisch ist, nicht automatisch für dumm und naiv zu halten. Ihr persönlicher Lifestyle und ihre Haltung gegenüber dem Leben sind recht bodenständig. Vielleicht ist sie ein bisschen trutschig, aber sie ist keineswegs ein überkandideltes Glamour-Girl. Und Bonnie van Klompp hält definitiv nichts vom Underdressing und Understatement der alternativen Szene.

Wenjamin Olinde – Regietheater-Regisseur

Wenjamin Olinde hat in den 1980er und 1990er Jahren Geschichte geschrieben. Seine Inszenierungen sind legendär. Er ist das beispielhafte Exemplar für deutsches Regietheater. Seine Spezialität besteht darin, bestehende Theaterstücke so zu inszenieren, dass sie bis zur Unkenntlichkeit verfremdet sind. Ein besonderes Anliegen von Olinde ist es, seine eigene – politisch gefärbte – Weltsicht in die Stücke einzuflechten, sodass jeder Theaterklassiker, den Olinde Inszeniert, zu einem Kommentar zur aktuellen politischen Lage wird. Allerdings unterscheidet sich Olindes Haltung in wesentlichen Punkten von derjenigen von – zum Beispiel – Meta Gleiberg. Für Olinde ist die Repräsentation von Minderheiten vollkommen überbewertet. Stattdessen geht es ihm darum, die Kritikpunkte einer antikapitalistischen und antiimperialistischen Linken auf die Bühne zu bringen. Das größte Übel der Welt sieht Olinde im Kapitalismus, Neoliberalismus, in der Konsumwelt und allem, wofür die USA stellvertretend stehen. Allerdings hat er sich in den letzten Jahren damit selbst in eine schwierige Lage hineinmanövriert. Seine Positionen galten vielleicht in den 1980er und 1990er Jahren als progressiv, wurden aber mittlerweile vom Zeitgeist überholt. Doch Olinde versteht sich selbst immer noch als Avantgarde. Erschwerend kommt hinzu, dass er in seiner Praxis als Theatermacher die Fehler der klassischen Linken gemacht hat: Sein kompromissloser Antiimperialismus machte vor antisemitischen Anspielungen genau so wenig Halt wie vor chauvinistischen Floskeln. In den damals gefeierten Inszenierungen von Olinde kamen alle Elemente vor, die bei der Avantgarde heute als überholt gelten: Bei jeder Inszenierung gab es nackte Personen auf der Bühne, viel Geschrei, mitunter sogar Publikumsbeschimpfungen. Olinde hatte nie Bedenken, gruppenbezogene Vorurteile auf der Bühne zu reproduzieren, und sei es nur, um einen Witz zu machen. Vehement verteidigt er noch heute, dass die Praxis des Blackfacings auf einer deutschen Bühne kein Problem sein sollte.

Meta Gleiberg – Heldin des postdramatischen Theaters

In den 1990er Jahren hat Meta Gleiberg in Gießen das Fach „Angewandte Theaterwissenschaft“ studiert. Da war es ein großer Zufall, dass „Gleiberg“ der mittelalterliche Name der Burg ist, zu deren Besitztümern das Gebiet gehörte, auf dem sich heute diese Stadt befindet. Gleich zu Beginn ihrer Karriere in den frühen Nullerjahren hat Meta Gleiberg für großes Aufsehen gesorgt. Anstatt als Autorin Stücke zu schreiben oder als Regisseurin Stücke zu inszenieren, bildete sie mit ihrem Ensemble eine Art Kommune, bei der Leben und Spielen ineinander übergingen. Das, wofür Meta Gleiberg sich vor allem interessiert, ist das Thema der sozialen Gerechtigkeit. Jede unterdrückte Minderheit soll ihre Stimme erhalten. Sie hält nichts davon, wenn wenige – meist weiße, männliche – Intellektuelle vom Elfenbeinturm aus predigen. Für Meta Gleiberg ist es vor allem die Repräsentation von Identitäten, die den Schlüssel zu einer besseren Welt bereithält. Manche Kritiker*innen bemängeln, dass die starken Meinungen und Haltungen von Meta Gleiberg gar nicht durch ihre große Menschenliebe motiviert seien, sondern vielmehr durch ihren Profilierungsdrang. Personen, die mit ihr zusammengearbeitet haben, berichteten schon von üblen Wutausbrüchen und einer Art von Günstlingswirtschaft in ihrer Kompanie, die von den egalitären Idealen ihrer Kunst weit entfernt sind. Meta Gleiberg sieht immer so aus, als sei sie gerade erst aufgestanden. Dabei hat sie einen 400€-Haarschnitt. Unter ihrem Second-Hand-Sweatshirt trägt sie T-Shirts von Christopher Kane.

Erasmus Selbach-Stein – Schauspieler, der nur sich selbst spielen kann

Erasmus Selbach-Stein ist ein aufstrebender Jungstar. Er ist ein gutaussehender, junger Mann, der sich selbst gern reden hört. Selbach-Steins Motivation, Theaterschauspieler zu werden, liegt vor allem darin begründet, dass er gerne auf der Bühne stehen will und sich am Applaus und an der Bewunderung erfreut, die ihm das Publikum entgegenbringt. Nebensächlich hingegen sind für ihn die Inhalte von Theaterstücken und die künstlerische Darstellung von verschiedenen Charakteren auf der Bühne. Genau genommen spielt Erasmus Selbach-Stein immer nur sich selbst. Das ist auch sein größter Wunsch. Den höchsten Wert misst er der Authentizität bei. Man könne nur das spielen, was man auch wirklich authentisch verkörpern kann, denkt Selbach-Stein. Dabei ist nicht ganz klar, ob er mit dieser Herangehensweise eine besonders ambitionierte Vorstellung von Theater verbindet, oder ob er einfach nichts anderes spielen kann. Kritiker werfen Selbach-Stein vor, er habe keinerlei Haltung. Er ist in gewisser Weise auch moralisch flexibel und sieht keine Widersprüche zwischen gegensätzlichen gesellschaftspolitischen Positionen. Selbach-Stein ist stark beeinflussbar, sodass er dazu neigt, einfach das nachzuplappern, was er gerade als Letztes gehört hat. Letztendlich ist seine Haltung egal, denn er ist sowieso immer nur er selbst.

Konrad Fidelius – Knattermime alter Schule

Konrad Fidelius ist schon beinahe achtzig Jahre alt. Er gehört zu den festen Größen auf großen Bühnen. Sein Steckenpferd sind die großen Rollen des klassischen Theaters – Shakespeare, Goethe, Schiller. Eine Sache, die Konrad Fidelius besonders am Herzen liegt, ist die werkgetreue Inszenierung von Theaterstücken. Wie sein Name bereits verrät: Fidelius ist der lateinische Ausdruck für „der Treue“. Prinzipiell ist Fidelius ein angenehmer Zeitgenosse, er ist jovial und lebensfroh. Allerdings ist er auch stockkonservativ. Alles, was neu ist, findet er prinzipiell nicht so gut, wie das, was alt ist. Auch wenn er niemals einer menschenfeindlichen Ideologie anhängen würde, so ist er tief im Herzen davon überzeugt, dass früher irgendwie doch alles besser war. Als Schauspieler alter Schule ist Konrad Fidelius natürlich auch im Kampf mit Waffen geschult. Er kann mit Schwertern fechten und besitzt Waffenscheine für allerlei Pistolen und Gewehre. Als langjähriger Schauspieler auf den Wiener Bühnen hat er viele weit zurückreichende Verbindungen in Wien geknüpft, mit russischen Oligarchen, ukrainischen Separatisten, georgischen Waffenhändlern und den Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Aufsichtsbehörde. Eine besondere Fähigkeit von Konrad Fidelius ist, dass ihm zu jeder erdenklichen Situation immer ein Zitat aus einem Klassiker der Theatergeschichte einfällt.

Celeste Engel – sehr erfolgreiche Filmschauspielerin und Sängerin

Celeste Engel kommt extra aus Hollywood angereist, um bei der Preisverleihung anwesend zu sein. Sie hat es geschafft, als deutschsprachige Schauspielerin international erfolgreich zu sein. Im deutschsprachigen Raum war sie als Kinoschauspielerin bereits gefragt, als Hollywood buchstäblich bei ihr an die Tür klopfte. Ein wenig verwundert schaut Celeste Engel auf die Schrullen der deutschsprachigen Theaterlandschaft: Regietheater und postdramatisches Theater hält sie zwar für irgendwie ehrenwert, aber auch für nicht weiter relevant. Irgendwie steht sie darüber, denn sie muss sich wirklich keine Sorgen machen. Sie hat das Gefühl, dass eine solch provinzielle Veranstaltung wie ein Theaterpreis froh sein kann, dass sie als echter Star diese Veranstaltung mit ihrer Anwesenheit beehrt. Celeste Engel lebt wirklich das Celebrity-Leben. Sie hat für alles, was sie im Leben braucht, eine Assistentin, die diesen Kram für sie erledigt. Wenn sie sich für etwas Banales aus dem bürgerlichen Leben interessiert, dann ist es ihr Immobilienportfolio. Hinter der Fassade der Filmdiva verbirgt sich jedoch eine dunkle Vergangenheit. Celeste Engel war in ihrer Jugend buchstäblich das hässliche Entlein und ein echter Nerd. Sie interessierte sich für Technik, Physik und Chemie, bevor sie sich selbst als Schauspielerin neu erfand. Sie brach ihr Studium in den Naturwissenschaften ab und studierte das Fach Schauspiel. Wie unschwer zu erkennen, ist der Nachname Engel eine Anspielung auf die berühmteste Rolle von Marlene Dietrich, der „Blaue Engel“. Im Vornamen Celeste steckt „das Himmlische“, und daher auch die Farbe Blau. Celeste Engel ist der „himmlische/blaue Engel“, den ihr Name suggeriert. Sie selbst gab sich diesen Namen, als sie ihre eigene, nerdige Jugendidentität hinter sich gelassen hat. Mit der Umbenennung erfand sie sich als glamouröse Person neu. Celeste ist erfolgreiche Unternehmerin, womit sie inzwischen mehr Geld verdient als mit der Schauspielerei: Sie hat eine eigene Kryptowährung namens Celeste-Coin, ein veganes Milchersatzprodukt auf Avocadobasis namens Celestify und ein Tiny-Home-Immobilien-Startup namens Cell.

Christian Gustavsson – Komödienautor mit norwegischen Wurzeln

Gustavsson ist als Autor einigermaßen erfolgreich. Allerdings hat er immer nur Erfolg mit seinen lustigen Stoffen, niemals mit den ernsthaften. Eigentlich möchte sich Gustavsson als richtiger Intellektueller etablieren, aber niemand nimmt ihn ernst. Stattdessen wird er immer wieder auf seine Rolle als Komödienautor reduziert. Bei der Preisverleihung möchte Gustavsson die Gelegenheit für eine seriöse Laudatio nutzen.


Kristof Magnusson

Kristof Magnusson wurde 1976 in Hamburg geboren. Nach seiner Ausbildung zum Kirchenmusiker studierte er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig und an der Universität Reykjavik. Er war writer in residence an der Universität von Iowa (2008), an der Queen Mary University of London (2013) und am Massachusetts Institute of Technology (2014). 2012/13 hatte er eine Gastprofessur am Deutschen Literaturinstitut Leipzig inne, wo er literarisches Schreiben unterrichtete. Kristof Magnusson schreibt Romane, Theaterstücke und übersetzt aus dem Isländischen. 2022 wurde „Apokalypse Miau“ am Volkstheater Wien uraufgeführt.

Gunnar Klack

Gunnar Klack, geboren 1979 in Hamburg, ist Ar­chi­tekt und Autor. Er stu­dierte Ar­chi­tek­tur an der Uni­ver­si­tät der Künste Ber­lin (UdK) und an der Glasgow School of Art. Für die Mu­sik­zeit­schrift Spex war Klack zwi­schen 2007 und 2011 re­gel­mä­ßi­ger als freier Autor aktiv, 2012 als Gast­au­tor u.a. für Die Welt und Zeit-Online. 2023 war er Re­se­arch Fel­low der Wüstenrot Stiftung.

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