Drei Tenöre für Moses

Nicht weniger als drei Tenöre sind für die Aufführung von Gioachino Rossinis „Moses in Ägypten“ notwendig. Eric Jongyoung Kim, Randall Bills und Dakai Wei sind für diese Produktion am Stadttheater Gießen zu Gast. Bei einem Treffen im Stadtcafé sprachen sie über ihre Partien, Lampenfieber und die Vor- und Nachteile ihrer Stimmlage.

Eric, du hat mit Osiride die größte Rolle von euch dreien. Was für eine Partie ist das?

Eric Kim: Als Osiride bin ich der Sohn des Pharao. In der Vorbereitung dachte ich, dass ich zwar jung bin, aber vor allem sehr nobel und souverän, ein Prinz eben. In der Inszenierung bin ich dagegen sehr jung, ein verliebter Teenager. Das macht es sehr viel einfacher, weil ich einen heutigen Menschen spiele.

Die typische Rossini-Tenorpartie liegt sehr hoch und hat viele Koloraturen. Osiride ist ein bisschen lyrischer: Es gibt zwar Koloraturen, aber nicht so viele, und die Partie liegt nicht extrem hoch. Aber sie ist umfangreicher, als ich am Anfang gedacht habe: Ich habe zwar keine Arie, aber ich bin bei fast allen Ensembles dabei und dadurch fast ununterbrochen auf der Bühne.

Randall Bills: Ist das deine erste Rossini-Partie?

Eric Kim: Auf der Bühne ja. Ich habe natürlich Arien aus „Der Barbier von Sevilla“, „Semiramide“ und „Cenerentola“ gesungen, aber ich freue mich sehr, nun eine ganze Rolle zu gestalten!

Randall, du hast dagegen international schon sehr viele Rossini- und Donizetti-Partien gesungen. Was zeichnet deine Figur Aron aus?

Meine erste Rolle war Prinz Ramiro in „Cenerentola“, später kam Graf Almaviva hinzu. Ich habe auch in vielen unbekannte Rossini-Opern gesungen, „Ricciardo e Zoroide“ und „Armida“ zum Beispiel, außerdem war ich bei einer Aufführung von „Moses in Ägypten“ in New York 2013 der Osiride. Aron ist einer seiner Gegenspieler und ganz anders, musikalisch wie im Charakter: Er ist eigentlich der ältere Bruder von Moses, aber Moses wirkt älter und weiser, er ist zupackend, aber dabei besonnen. Aron ist aktiver, impulsiver und radikaler.

Wenn du so viel Rossini singst, heißt das, dass dir hohe Töne keine Angst machen?

Naja, ich mache das schon eine Weile … Es braucht Zeit. Mein erster Auftritt in „Cenerentola“ war in Ordnung, aber fünf oder sechs Jahre später war alles noch viel besser.

Was ist Mambre für eine Figur?

Dakai Wei: Mambre ist eigentlich eine sehr kleine Partie, er singt Rezitative und ist in einigen Ensembles beteiligt. In der Inszenierung ist er allerdings sehr wichtig und öfter auf der Bühne, als ich gedacht hätte. Er ist ein sehr guter Freund von Osiride und die rechte Hand vom Pharao. Als ich die Partie gelernt habe, dachte ich, dass Mambre eine Art böser Zauberer ist, aber in unserer Aufführung ist er gar nicht so unsympathisch! Ich finde seinen Charakter sehr interessant.

Du bist noch im Studium – ist das deine erste Partie in einem Theater?

Ich habe schon mehrfach in Chören ausgeholfen, zum Beispiel beim Staatstheater Darmstadt, aber das hier ist meine erste solistische Aufgabe. Es ist für Studenten sehr wichtig, solche Erfahrungen zu sammeln.

Mein Eindruck ist, dass Tenöre einem besonderen Druck ausgesetzt sind. Das Publikum beobachtet oft sehr genau, ob das „hohe C“ richtig gesungen wurde. Meistens sind die Tenor-Arien auch besonders bekannt und jede*r glaubt zu wissen, wie sie klingen müssen. Bässe sollten zwar auch keine Fehler machen, aber sie stehen nicht unter der gleichen Beobachtung. Empfindet ihr das auch so?

Randall Bills: Der Druck ist immer da, die Aufgabe besteht darin, sich damit wohlzufühlen. Das kommt mit der Erfahrung. Als ich noch in der Hochschule war, gab es nur wenige Auftritte pro Semester. Da war ich jedes Mal zwei Monate lang aufgeregt. Im ersten Festengagement hatte ich dann jede Woche eine Vorstellung und gar nicht so viel Zeit, aufgeregt zu sein. Da war ich dann nur am selben Tag nervös. Und so wurde es immer weniger – heute denke ich nur noch zwei Minuten vor dem Auftritt daran, das Opernhaus heimlich zu verlassen. Aber das wird wohl nie weggehen.

Dakai Wei: Ich finde Tenor eine schwierige Stimmlage, weil wir häufiger an die Grenzen getrieben werden. In unserem Repertoire gibt es extrem hohe Passagen, während viele populäre Bariton-Partien so geschrieben sind, dass die Sänger sie recht bequem singen können.

Eric Kim: Ich leide eigentlich nicht sehr unter Lampenfieber. Das kommt nur, wenn ich mich nicht gut fühle. Wenn ich fit und gut vorbereitet bin, gehe ich zuversichtlich in die Vorstellung.

Dakai Wei: Das ist bei mir so ähnlich. Wenn ich sehr gut vorbereitet bin, dann habe ich wenig Angst. Nur wenn man die Erfahrung gemacht hat, dass etwas in der Probe schon schiefgegangen ist, weiß man natürlich, dass das auch mit Publikum passieren kann. Wenn etwas immer gut geklappt hat, fühle ich mich sicher, dafür gibt es ja die Proben.

Wusstet ihr schon immer, dass ihr Tenor seid?

Eric Kim: Ich war Countertenor, bis ich 18 war. Kurz vor meinem Schulabschluss bekam ich aber Probleme mit höheren Tönen und habe mit meinem Lehrer entschieden, dass ich die Aufnahmeprüfung für die Musikuniversität als hoher Bariton mache. Das schien auch gut zu meinem Körperbau zu passen. Aber im Verlauf des Studiums zeigte sich, dass meine hohe Lage immer besser wurde, und wenn man Tenor singen kann, dann sollte man es auch tun.

Bessere Berufschancen, weniger Konkurrenz, höhere Gagen ….

Randall Bills: Das ist wahr. Ich wache jeden Morgen auf und sage: Danke Gott, dass ich kein Koloratursopran bin!

Wie kommt man als 16jähriger Schüler dazu, Countertenor werden zu wollen?

Eric Kim: Ich war im städtischen Jugendchor, seit ich elf war. Da musste ich im Stimmwechsel im Falsett singen und dann auch weiter, weil es gut funktioniert hat. Meine Stimme war super hoch, ich konnte Koloratursopran singen. Und weil es mir Spaß gemacht hat und ich beruflich singen wollte, dachte ich: Dann werde ich Countertenor!

Singst du manchmal noch auf Partys Sopran?

Nein, jetzt mache ich das gar nicht mehr. Es geht nicht mehr, meine Counter-Stimme klingt wie eine alte Stimme.

Wie war es bei euch, Dakai und Randall?

Dakai Wei: Ich habe spät angefangen zu singen. Mit 16 hatte ich den ersten Gesangsunterricht, da war ich schon Tenor. Aber ich hatte lange Zeit Probleme mit der Höhe, daran musste ich intensiv arbeiten. Jetzt ist das zum Glück kein Problem mehr.

Randall Bills: Ich habe wie Eric im Stimmbruch immer weiter hoch gesungen und habe dadurch ein gutes Falsett. Ich habe vor acht Jahren die Sopran-Arie „Come Scoglio“ gesungen, das könnt ihr euch bei Youtube anhören, aber es klingt ziemlich wild! Es war früh klar, dass ich Tenor werde, aber es hat mein ganzes Studium gedauert, eine „richtige“ Tenorstimme zu entwickeln. Es erfordert eine besondere Technik, die man auch nicht bei jedem Lehrer gut lernen kann.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Aufführungen von „Moses in Ägypten“!

Das Gespräch führte Ann-Christine Mecke

This website is using cookies to provide a good browsing experience

You can decide for yourself which categories you want to allow. Please note that based on your settings, not all functions of the website may be available.

This website is using cookies to provide a good browsing experience

You can decide for yourself which categories you want to allow. Please note that based on your settings, not all functions of the website may be available.

Your cookie preferences have been saved.