Haarige Angelegenheiten

Einblick in „herzkopfüber“, die erste Premiere im Jungen Theater
Von Mathilde Lehmann

Die Bühne ist aufgebaut. Ein wuscheliges Etwas guckt uns verwundert an. Mit großen haselnussbraunen Augen, umgeben von weichem, flauschigen Pelz. Es ist Hairy Wuschel, Zizi Zöpfchens bester Freund. Er weiß noch nicht, dass Zizi uns gerade in ihr Kinderzimmer eingeladen hat. Zizi steht vorne und zählt, wieder und wieder. Sie zählt alle Zopfgummis an ihrer Hand. Sie hat fünf Finger an jeder Hand, stellt sie fest, und wenn an jedem Finger fünf Zopfgummis sind, das sind dann… 93? Oder 68? Das ist schon wichtig, wenn es viele sind. Denn mit jedem Zopfgummi bindet sie ein Zöpfchen. Zauberzöpfchen. Denn ihre Zöpfe, die können zaubern und Wünsche in Erfüllung bringen. Davon hat sie so, so viele…

Lilith Rahel Borchert spielt Zizi Zöpfchen. Foto: Nils Heck

Lilith Rahel Borchert spielt Zizi Zöpfchen. Foto: Nils Heck

In Zizis Kinderzimmer lernen wir ihre ganze Welt kennen. Zizi ist die ganze Zeit allein mit uns in ihrem Zimmer, aber alle anderen Menschen in ihrem Leben stellt sie uns trotzdem vor. Zuerst treffen wir, natürlich, Hairy Wuschel. Sie stellt uns ihre liebste Freundin Mimi vor, die „gigantoturbotoll“ ist, und ihren Papa, der gerne backt. Ein „Backpapa“ oder eine „Papabäcker“. Sie erzählt uns von Kim, einem Kind, in das Zizi ein bisschen (vielleicht) verliebt ist. Am Klettergerüst auf dem Spielplatz treffen wir ihren Cousin Janosch, das coolste Kind der Stadt, der schon Cola trinken darf. Wir begleiten Zizi zu Dr. Bıkmaz. Das ist die Ärztin, die Zizis Mama behandelt. Zizis Mama treffen wir natürlich auch. Sie hat gerade keine Haare, weil sie krank ist, und deshalb muss sie manchmal zur Ärztin. Wegen der Krankheit, nicht wegen der Haare.

Da steht schon mal Zizis Herz kopfüber. Da treiben alle Wünsche, die in ihr schwimmen, an die Oberfläche. Alle großen komplizierten Gefühle, aber auch das Sehnen nach Nähe, Verständnis und Gemeinschaft. Zizi nimmt uns mit in ihre Welt, und wir dürfen dabei sein, mitwünschen, und vor allem auch selbst zaubern.

Die Autorin Simone Saftig hat dieses Stück geschrieben. Es ist eine Uraufführung. „Uraufführung“ ist ein Fachwort am Theater, das fast der Schönheit seiner Bedeutung nicht gerecht werden kann. „Uraufführung“, wie der „Urknall“, ein allererstes Mal, das etwas so passiert. Die Worte in „herzkopfüber“ sind in der Kombination, wie sie in diesem Stück vorkommen, noch nicht gesprochen worden: Nicht nur auf einer Bühne, sondern insgesamt, in diesem Universum. In der englischen Sprache heißt es „world premiere“. „Weltpremiere“, das sollten wir in den deutschsprachigen Theaterraum übernehmen.

Es ist das erste Stück für junges Publikum, das Simone Saftig für uns schreibt. Für sie ist es ein wichtiger Schritt in der Weiterentwicklung als Autorin. Es ist ihr ein Anliegen, dass das Theater ein Ort ist, um genießen und fühlen zu können. Ohne Fachsprache, ohne komplizierte Worte, ohne Pose. Zweimal habe sie im Theater bislang geweint, erzählt sie. Beide Male sei das in Kinderstücken gewesen – weil der Zugang ganz pur ist. Es macht ihr Spaß, für Kinder zu schreiben, großen Gefühlen Raum zu geben.

Bei dem Theaterstück „herzkopfüber“ geht es vor allem um Haare. Denn: Alle Menschen haben andere Haare. Jeder Mensch trägt sie anders: lang, kurz, kleingelockt oder glatt, braun, weiß, bunt. Manche haben dicke Haare, manche dünne, manche Haare fliegen sogar. Haare stehen in diesem Theaterstück für Vielfalt. Aber ganz gleich, wie vielfältig, wie unterschiedlich alle Menschen sind, eins haben alle gemeinsam: Alle haben große Gefühle und niemand ist gerne immer allein.

Zizi hat auch große Gefühle. Sie ist voller Freude, wenn sie mit Mimi spielt. Janosch will sie richtig beeindrucken. Bei Kim wird sie ganz verlegen und schüchtern. Bei Hairy fühlt sie sich richtig sicher und beschützt. Und ihre Mama liebt sie so sehr, dass es sie richtig traurig macht, wenn es ihr mal nicht gut geht.

Zizi mit Hairy Wuschel und einem ganzen Kosmos von Gefühlen. Foto: Nils Heck

Zizi mit Hairy Wuschel und einem ganzen Kosmos von Gefühlen. Foto: Nils Heck

Zizi fragt sich: Was mache ich, wenn ich richtig traurig bin, und meinen Trauerkloß in der Magengrube spüre? Was mache ich, wenn ich so wütend bin, dass ich gerne feuerschnaubend in Flammen aufgehen will? Sie hat ein paar Ideen und probiert das mit uns aus. Gemeinsam geht alles leichter.

Denn klar gibt es Sachen, die kann man nicht alleine lösen. Manche Probleme sind so groß, da kann man nicht einfach laut schreien und dann ist alles besser. Aber dann gibt es ja noch Zizis Zauberzöpfchen. Sie muss nur einen Zopf lösen, und was immer sie sich dabei wünscht, das geht in Erfüllung. Fünf Finger an jeder Hand, und an jedem Finger fünf Zopfgummis. Das macht 93? Oder 68? Zizi macht sich 68 Zöpfchen. Denn sie hat sehr, sehr viele Wünsche. Wie praktisch, dass ihre Zöpfchen auch Zauberzöpfchen sind.

Die Premiere von „herzkopfüber“ ist am 11. Oktober um 16 Uhr im Kleinen Haus, die nächste Familienvorstellung ist bereits am 12. Oktober, ebenfalls um 16 Uhr. Zizi freut sich schon auf alle, die Lust haben, mit ihr Wünsche in Erfüllung zu bringen!

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